Ein Rohr für Premierminister Edi Rama

Einwohner des Shushica-Tals überreichen eine ungewöhnliche Petition, um die Wasserentnahme aus dem Vjosa Wild River National Park zu stoppen.

Menschen protestieren in Tirana gegen Wasserableitungsprojekt an der Shushica

Vertreterinnen der betroffenen Gemeinden reisten nach Tirana, um die Rohrpetition an Premierminister Edi Rama zu überreichen.

© Klajdi Vaja
Wasserrohr mit Unterschriften auf Autodach

1.500 Menschen aus 37 Dörfern unterzeichneten diese Rohr-Petition, als sie durch das Tal reiste.

© Geri Bleta
Bagger bei den Bauarbeiten am Himara Water Extraction Project an der Shushica

Das österreichische Unternehmen STRABAG verlegt diese Rohre, um das Quellwasser der Shushica an die Mittelmeerküste zu leiten.

© Ulrich Eichelmann

Am vergangenen Samstag reisten Vertreterinnen der lokalen Gemeinden des Shushica-Tals sowie aus Vlora und dem Vjosa-Tal nach Tirana, um ihrem Premierminister Edi Rama eine besondere Petition zu überreichen: ein blaues Rohr, geschmückt mit 1.500 Unterschriften - dieselbe Art von Rohr, die ihr Tal und einen Teil des neu errichteten Vjosa-Nationalparks bedroht. 

Rund 1.500 Menschen aus 37 Dörfern des Tals haben sich in dieser eindringlichen Petition gegen das Projekt zur Wasserentnahme aus dem Shushica-Fluss zusammengeschlossen. Ihre Unterschriften bedecken nun das blaue Rohr, das ihre kollektive Stimme symbolisiert. In den vergangenen zwei Wochen reiste dieses Rohr durch das Herz des Tals und hat dabei zahlreiche Ortschaften passiert. Bei jedem Halt kamen weitere Unterschriften hinzu, die nun den Premierminister auffordern, das Projekt zu stoppen.

"Wir sind nach Tirana gekommen, um unsere Entschlossenheit zu zeigen. Wir wollen nicht, dass dieses Projekt umgesetzt wird. Unser Dorf und alle anderen werden von der Ableitung der Lepusha-Quelle betroffen sein. Shushica ist Teil des Nationalparks und sollte geschützt werden", sagt Astrit Balilaj, Bürgermeister des Dorfes Kuç.

Die blauen Rohre sind ein Symbol für das zerstörerische Projekt. Seit sechs Monaten verlegt das österreichische Unternehmen STRABAG diese Rohre, um das Quellwasser der Shushica an die Mittelmeerküste zu leiten und so den Bedarf des dort geplanten Massentourismus zu decken.

"Die Bauarbeiten vor Ort müssen sofort eingestellt werden. Dieses Projekt wird ein ganzes Tal zerstören und die Menschen, das Vieh und das Land ohne Wasser lassen. Wir werden das nicht zulassen und sind entschlossen, die Bauarbeiten zu stoppen, wenn wir heute nicht gehört werden. Wir sind nicht gegen Wasser für Himara, aber wir sind eine Nationalparkregion, und wir können nicht zulassen, dass dies mit unserer Shushica geschieht", sagt Lela Qejvani, eine lokale Aktivistin.  

Die Shushica ist einer der Hauptzuflüsse zum Vjosa-Wildfluss-Nationalpark und ein Hotspot der Artenvielfalt. "Dieses Umleitungsprojekt ist nicht nur zerstörerisch, sondern auch unnötig. Es gibt ausreichend alternative Wasserquellen außerhalb der Grenzen des Nationalparks, um den Bedarf von Himara zu decken, falls dies erforderlich sein sollte. Gemeinsam mit den Bewohnerinnen von Shushica werden wir das Projekt im Verwaltungsgericht bekämpfen", sagt Olsi Nika von EcoAlbania.

"Wenn dieses Projekt durchgeführt wird, muss die Shushica - oder zumindest große Teile davon - ihren Status als Nationalpark verlieren. Das wäre sowohl für die Natur als auch für die lokalen Gemeinden ein großer Verlust, da sie auf die Vorteile des Nationalpark-Tourismus verzichten müssten. Letztlich geht es auch hier um die Wahl zwischen Ökotourismus und Massentourismus", sagt Ulrich Eichelmann von der NGO Riverwatch.

"Die Vjosa wurde zum Nationalpark erklärt, nicht nur um den Hauptfluss zu schützen, sondern auch um ein lebendiges und intaktes Flussökosystem zu bewahren, von dem die Shushica ein wichtiger Bestandteil ist. Die Wasserentnahme aus der Shushica würde eine erhebliche Bedrohung für die ökologische Integrität des Vjosa Wildfluss-Nationalparks darstellen", sagt Annette Spangenberg von EuroNatur.


Hintergrundinformationen:

  • Die Shushica - einschließlich ihrer Quellen - ist ein wichtiger Zufluss der Vjosa und seit März 2023 Teil des ersten Wildfluss-Nationalparks in Europa. Das Wasserableitungsprojekt wird von der deutschen Entwicklungsbank KfW und der EU (Investitionsrahmen Westbalkan) finanziert. Die Bauarbeiten von der österreichischen STRABAG durchgeführt werden. Das Projekt befindet sich derzeit im Bau. 

  • Die Vjosa ist der letzte große Wildfluss in Europa außerhalb Russlands. Auf einer Länge von fast 270 Kilometern fließt der Fluss völlig ungehindert vom Pindus-Gebirge in die Adria. Im März 2023, nach zehnjährigem Einsatz in unserer Kampagne, hat die albanische Regierung den ersten europäischen Wildfluss-Nationalpark Europas ausgerufen. 

  • Die Initiative zum Schutz der Vjosa gehört zur “Save the Blue Heart of Europe” Kampagne, die von Riverwatch und EuroNatur organisiert wird. Unser Partner vor Ort in Albanien ist EcoAlbania. In unseren Anstrengungen, die Vjosa als Nationalpark zu schützen, arbeiten wir als Partner mit dem Outdoor-Unternehmen Patagonia zusammen.

  • Die Save the Blue Heart of Europe” Kampagne wird unter anderem von der Manfred-Hermsen-Stiftung unterstützt. 

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