Insbesondere im Naturschutz haben alle Westbalkan-Staaten noch einen weiten Weg vor sich, wenn sie Mitglied der EU werden wollen. Jährlich legt die EU-Kommission Länderberichte zu allen Beitrittskandidaten zur EU vor. Die aktuellen Berichte kritisieren vor allem den Bau von Wasserkraftwerken und den Flughafenbau in der albanischen Narta-Lagune.
Die EU-Kommission kritisiert unter anderem den weiteren Ausbau der Wasserkraftnutzung. So müsse mehr Transparenz bei Investitionen und deren Umweltauswirkungen geschaffen werden; der Bau weiterer Kraftwerke dürfe nur nach EU-Rechtstandards erfolgen. In einigen Staaten des Westbalkans sind zahlreiche Wasserkraftwerke in Planung. Ihr Bau, oft genehmigt auf der Grundlage fadenscheiniger Umweltverträglichkeitsprüfungen (UVP), würde wertvolle Wildflüsse nachhaltig zerstören. Konkret wurde zum Beispiel der geplante Skavica-Staudamm in Albanien genannt, der neben gewaltigen Überflutungen auch einen wichtigen Wanderkorridor des vom Aussterben bedrohten Balkanluchses zerstören würde.
Ebenfalls im Länderbericht zu Albanien wurde der Bau des Vlora-Flughafens in der Narta-Lagune nahe der Vjosa-Mündung beanstandet. Im Bericht heißt es, dass das Flughafenprojekt Anlass zu großer Sorge über die Bedrohung der Umwelt sowie der Zugvögel und anderer Arten gebe. Im Bericht wird darauf verwiesen, dass NGOs immer wieder die mangelhafte UVP sowie die Lage des Flughafens in einem Schutzgebiet kritisieren.
Von fast allen Ländern des Westbalkans wird erwartet, dass die Regierungen die Meinungs- und Versammlungsfreiheit gerade im Umweltbereich stärker achten und die betroffenen Anwohner bei Infrastrukturprojekten besser mit einbeziehen. „Mit ihren Berichten stärkt die EU-Kommission unsere Forderungen an die Verantwortlichen in den Staaten des Westbalkans und verweist darauf, dass es in Sachen Naturschutz noch unglaublich viel Nachholbedarf gibt“, sagt EuroNatur-Geschäftsführer Gabriel Schwaderer. „Der Flughafenbau in der Narta-Lagune ist mit einem EU-Beitritt Albaniens nur schwer zu vereinen. Die tolle Leistung der albanischen Regierung, die Vjosa auf ihrer gesamten Länge sowie drei frei fließende Nebenflüsse als Nationalpark auszuweisen, wird damit konterkariert“, so Schwaderer.