Ein Kommentar von EuroNatur-Projektleiterin Antje Henkelmann
Die emotionale Berichterstattung zum Todesfall im Trentino spiegelt die verständliche Verunsicherung vieler Menschen wider, die sich eine Koexistenz zwischen Mensch und Braunbär in der Bundesrepublik Deutschland nur schwer vorstellen können. Bei EuroNatur arbeiten wir sowohl im Bereich Artenschutz als auch am Erhalt wertvoller Kulturlandschaften. Wir sehen uns daher in besonderer Verantwortung, den gesellschaftlichen Diskurs zu diesem Thema mit wachem Blick zu begleiten.
Die Vorfälle im Trentino und in den rumänischen Karpaten, wo ein deutscher Tierfilmer von einem Braunbären attackiert wurde, verweisen eindringlich auf die potentiellen Risiken und Konflikte eines Nebeneinanders von großen Beutegreifern und jenen Menschen, die sich in deren ursprünglichen Verbreitungsgebieten aufhalten oder dort ihren Lebensunterhalt verdienen. Es zeigt sich: Natur- und Artenschutz haben ihren Preis. Informationskampagnen, Präventionsmaßnahmen und Entschädigungen bei Nutztier-Rissen kosten Geld.
Zudem können Zusammenstöße zwischen Menschen und potentiell gefährlichen Wildtieren auch mit gutem Management nicht gänzlich ausgeschlossen werden. Dieses Risiko ist im Vergleich zu anderen Gefährdungen in der Natur gering. Dennoch müssen die Menschen im dicht besiedelten Mitteleuropa sich erst wieder an den Gedanken gewöhnen, dass sie dort wo wilde Tiere leben, den Raum mit ihnen teilen müssen.
Gleichzeitig ergibt sich aus der Vertreibung und nahezu vollständigen Ausrottung großer Beutegreifer durch den Menschen die Verantwortung, ihren Fortbestand zu gewährleisten. Das Bekenntnis zu dieser Verantwortung ist kein romantischer Tagtraum weltfremder Naturschützer oder Tierliebhaberinnen. Vielmehr sichert Biodiversität die Lebensgrundlage des Menschen. Ihre Aufrechterhaltung ist Bestandteil einer dringend notwendigen Kurskorrektur in unserem Selbstverständnis. Für funktionierende Ökosysteme sind Große Beutegreifer unverzichtbar. Auf einem zunehmend ungastlichen Planeten muss der Mensch sich wieder als Teil seiner Umwelt verstehen.
EuroNatur und ihre Partner vor Ort suchen nach Lösungen zum Spannungsabbau zwischen Mensch und Braunbär. Erfreulicherweise gelingt es unseren Partnern, in unterschiedlichen Projektgebieten eindrücklich zu demonstrieren, dass eine konfliktarme Koexistenz von Menschen, Weidetieren und großen Beutegreifern möglich ist. Diese setzt politischen Willen und die Bereitstellung ausreichender Mittel für eine wissenschaftlich solide Begleitung und Risikominderung voraus.
Der durch einen Bären verursachte Tod des jungen Mannes im Trentino ist eine Tragödie. Für uns ergibt sich daraus die Aufgabe, sensibel und fundiert zu einer sachlichen Debatte beizutragen und politischer Instrumentalisierung entgegenzutreten. Die Suche nach pragmatischen Lösungen für Konflikte zwischen Bär und Mensch kann – hier ist Ehrlichkeit geboten – Risiken nicht ausschließen. Aber sie kann Gefahren reduzieren und demonstrieren, wie der Mensch künftig in einer Welt, in der er nicht allein ist, einvernehmlich mit Bär und Co. leben kann.
Die Autorin dieses Beitrags, Antje Henkelmann, arbeitet als Projektleiterin bei EuroNatur. Sie ist Bären schon sehr nahe gekommen - als sie im Rahmen ihrer Masterarbeit auf dem Yukon unterwegs war und über Grizzlys geforscht hat.
Richtiges Verhalten im Bärengebiet
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