Juristische Farce in Albanien: Unterschiedliche Gerichte heben gegenseitig ihre Entscheidungen im Fall des geplanten Kraftwerks Dragobia auf. Leidtragende sind die Natur und die lokale Bevölkerung.
Die gerichtliche Auseinandersetzung um das Wasserkraftwerk Dragobia an der nordalbanischen Valbona geht in eine neue Runde. Im Juni hatte das albanische Berufungsgericht nach einer Klage von Naturschutzorganisationen und Anwohnern den sofortigen Baustopp des geplanten Staudamms beschlossen. Doch die Bauarbeiten wurden fortgesetzt, wie die albanische NGO Toka berichtet. Das Amtsgericht Tropoja habe zudem Ende Juli, ohne die Klageparteien zu informieren, eine einstweilige Verfügung genehmigt, die dem zuständigen Gerichtsvollzieher aus Tirana die Begehung der Baustelle untersagt. Dieser hätte den Baustopp am 2. August vor Ort durchsetzen sollen – also auch erst zwei Monate nach dem Urteil des Berufungsgerichts.
„Dies ist ein deutliches Beispiel dafür, wie die Interessen der Menschen von Tropoja missachtet werden“, sagt Catherine Bohne, Präsidentin von Toka. „Die Menschen vor Ort haben furchtlos und unermüdlich daran gearbeitet, das Kraftwerk zu verhindern. Und das ist die Antwort, die sie von ihrem zuständigen Gericht erhalten“, so Bone weiter.
Die für den Bau des Wasserkraftwerks zuständige Firma Dragobia Energy argumentiert laut Toka hanebüchen: Trotz des gerichtlich verordneten Baustopps arbeitet das Energieunternehmen weiter an dem Staudamm, weil ihnen jemand eine Genehmigung hätte geben sollen, dies aber nicht erfolgt sei. Catherine Bone sagt: „Es sieht mehr und mehr danach aus, dass die Valbona der Testfall ist, der zeigen wird, ob die Justizreform und die faire Umsetzung der Rechtsstaatlichkeit in Albanien funktioniert oder ob das Land einigen reichen Geschäftsleuten erlaubt, zu tun, was sie wollen.“