Rumänische NGO fordert besseren Schutz für Europas Urwald- „Hot Spot“ im Natura-2000-Gebiet Fagaras-Gebirge
Das wahrscheinlich wildeste Tal im Herzen Europas wurde kürzlich in Rumänien entdeckt. Gleichzeitig warnt heute die rumänische Naturschutzorganisation Agent Green davor, dass dieses Paradies schon bald zerstört sein könnte. Das Boia Mica Tal ist ein steiles, abgeschiedenes Tal mit einem großen, unberührten und beinahe unzugänglichen Urwald. Es liegt im Fagaras-Gebirge, einer der letzten Hochburgen großer europäischer Wildnisgebiete.
In den letzten Jahren sind viele Urwälder im Fagaras-Gebirge gerodet und dadurch für immer zerstört worden. Einige Kahlschläge im Natura 2000-Gebiet, welches große Bereiche des Fagaras-Gebirges umfasst, sind mehrere hundert Hektar groß. Die international tätige EuroNatur Stiftung und Agent Green fordern die rumänische Regierung dazu auf, die Abholzung im Fagaras-Gebirge umgehend zu stoppen und dort einen Nationalpark zu schaffen, der die internationalen IUCN-Kriterien erfüllt. Ganz besonders das herausragende Boia Mica Tal verdient sofortige Maßnahmen, um seine Zerstörung zu verhindern.
„Boia Mica liegt im Natura 2000-Gebiet Fagaras-Gebirge. Nach europäischer Gesetzgebung ist es bereits geschützt. Aber das verhindert die Abholzung offensichtlich nicht, wie wir an vielen Negativbeispielen und klaren Verstößen gegen die Vorgaben von Natura 2000 gesehen haben. Die rumänischen Behörden müssen den Naturschutz im Fagaras-Gebirge und in den meisten Natura 2000-Gebieten des Landes dringend stärken“, fordert Gabriel Schwaderer, Geschäftsführer von EuroNatur. Der obere Teil von Boia Mica ist komplett unberührt, steile Hänge und Schluchten haben es bisher vor Abholzung und Plänen für Staudammprojekte bewahrt. Jedoch gibt es auch hier bereits Nutzungspläne.
„Boia Mica ist eines der bedeutendsten Wildnisgebiete sowie einer der größten und am wenigsten zugänglichen Urwälder Europas. Ich habe die meisten der wilden Wälder Europas gesehen“, sagt Photograph und Buchautor Matthias Schickhofer, „Boia Mica ist vergleichbar mit den wertvollsten Gebieten wie dem Biogradska Gora Nationalpark (Montenegro), dem Perucica Urwald (Bosnien-Herzegowina) oder Polens Biolowieza Wald. Es wäre ein Desaster für ganz Europa, wenn es zerstört würde.“
Martin Mikolas, ein slowakischer Waldwissenschaftler, der für die Abteilung für Waldökologie an der Naturwissenschaftlichen Universität in Prag arbeitet, forscht seit vielen Jahren in Boia Mica und sagt: „Wir haben dort die wahrscheinlich älteste Buche in Rumänien gefunden. Wir haben 480 Jahresringe gezählt. Da wir bei der Messung aber nicht bis zum Zentrum des Baumes gelangt sind, ist der Baum sicher älter. Das wahre Alter könnte zwischen 500-520 Jahren liegen. Alles in allem haben wir 15 Bäume, die älter als 400 Jahre sind, in Boia Mica gefunden.“
Im Juli 2016 besuchten Martin Mikolas, Matthias Schickhofer und rumänische Waldexperten zudem andere Urwaldgebiete in Fagaras, insbesondere Ucea Mare und Arpaselu. Auch das Strambei Tal in der Nähe von Sinca wurde von rumänischen Experten untersucht. Die Experten bestätigen, dass all diese Wälder unberührt sind und vollständig die gesetzlichen Bestimmungen zum Schutz von Urwäldern in Rumänien erfüllen. Doch keines dieser Gebiete ist bisher offiziell als Urwald registriert. Das bedeutet, sie genießen entsprechend dem rumänischen Waldgesetz keinen ausreichenden Schutz. Forststraßen wurden bereits bis an die Grenzen dieser Urwälder gebaut. Agent Green und EuroNatur fordern die rumänischen Behörden dringend auf, sofort zu handeln und diese wilden Orte von europäischer Bedeutung zu sichern.