Mehr als 111.000 Stimmen für besseren Oder-Schutz

++ Petition zum Schutz der Oder von über 111.000 Menschen unterzeichnet ++ Übergabe an EU-Umweltkommissar ++ Virginijus Sinkevičius zeigt sich zögerlich ++

Thomas Freisinger und andere Naturschützer übergeben Oder-Petition an EU-Umweltkommissar Virginijus Sinkevičius

Gemeinsam für den Schutz der Oder: Mahalia Balp und Rachel Walker-Konno von WeMove (links im Bild) sowie Hanna Schudy von Eko-Unia und Thomas Freisinger von EuroNatur (rechts im Bild) haben die Petition am gestrigen Nachmittag Virginijus Sinkevičius (Bildmitte) überreicht.

© WeMove
Landschaft im Oderbruch bei Neurüdnitz mit Flussarmen, Wiesen, Feldern und Bäumen.

Die Oder ist einer der letzten naturnahen Flüsse in Mitteleuropa. Viele seltene Tier- und Pflanzenarten leben im Fluss oder an seinen Ufern.

© Sascha Maier/BUND
Tote Fische liegen am Ufer  beim Fischsterben in der Oder.

Das Fischsterben im August 2022 war eine der größten Umweltkatastrophen der jüngeren Zeit in Europa. Die langfristigen Auswirkungen auf das Ökosystem sind noch nicht absehbar.

© Sascha Maier/BUND

Brüssel, Radolfzell. EuroNatur-Policy Officer Thomas Freisinger hat gestern in Brüssel gemeinsam mit unseren polnischen Partnern von EKO-UNIA und Vertreterinnen von WeMove den EU-Umweltkommissar Virginijus Sinkevičius getroffen. Im Gepäck hatten die Naturschützer eine lange Unterschriftenliste: Über 111.000 Menschen haben eine gemeinsame Petition für den Schutz der Oder unterzeichnet, denn seit März 2022 laufen Ausbaumaßnahmen am polnischen Ufer der Oder, um sie zu einem künstlichen Kanal für die Schifffahrt umzuwandeln.

Die Ausbaupläne verstoßen gleich gegen mehrere Richtlinien der Europäischen Union: Sie stehen in krassem Widerspruch zu den Zielen der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie und der Flora-Fauna-Habitatrichtlinie. Die Unterschriftenliste ist ein starkes Signal an die Europäische Kommission, endlich aktiv zu werden, falls auch die neue Regierung in Warschau die bestehenden Gerichtsentscheidungen zum Baustopp weiterhin ignoriert – wonach es aktuell aussieht.

Im Sommer 2022 gab es in der Oder eine große Umweltkatastrophe. In Folge von hohen Schadstoffeinträgen und warmen Temperaturen kam es zu einer toxischen Algenblüte, die für ein dramatisches Fisch- und Molluskensterben sorgte. Nur eine natürlich fließende Oder kann sich von dieser Katastrophe wieder erholen. Auf unsere bereits 2022 bei der EU eingereichte Beschwerde gegen die Ausbaupläne auf der polnischen Seite der Oder folgte bislang keine Reaktion. Nun setzen wir darauf, mit der Petition die Verantwortlichen zum Handeln zu bringen.

„Die Empfehlung polnischer und deutscher Wissenschaftlerinnen und Flussexperten spricht eindeutig für die Renaturierung des Flusses nach der dramatischen Katastrophe im Jahr 2022 und nicht für seine Regulierung“, sagt Radosław Gawlik von EKO-UNIA. „Wir erwarten von Kommissar Sinkevičius und der Europäischen Kommission, dass sie der Zerstörung des Oder-Ökosystems einen Riegel vorschiebt und die weitere Verschwendung von EU-Geldern vermeidet.“

Sinkevičius zeigte sich bei der Übergabe der Petition überrascht davon, dass die Baumaßnahmen an der Oder weitergingen. Bei einem Gespräch mit der polnischen Umweltministerin zwei Tage zuvor, habe ihm diese vergewissert, dass der Schutz der Oder oberste Priorität habe. „Offenbar ist Umweltkommissar Virginijus Sinkevičius in den letzten Wochen seiner Amtszeit nicht mehr allzu motiviert, Entscheidendes zu bewegen“, sagt Thomas Freisinger von EuroNatur. „Er wollte uns nicht versprechen, das Thema an die kommende Kommission weiterzugeben. Das ist ein Stück weit ernüchternd“, so der Policy Officer. EuroNatur und ihre Partner werden nun weitere Beweise sammeln und vorlegen, dass die Bauarbeiten an der Oder fortgesetzt werden – so lange bis die neue Regierung in Warschau und die Kommission den Oderschutz tatsächlich ernst nehmen.


Hintergrundinformationen:

  • Die Petition zum Schutz der Oder wurde von EKO-Unia initiiert. Die international tätige Naturschutzstiftung EuroNatur ist Co-Initiatorin der Petition. Zum Zeitpunkt der Übergabe an EU-Umweltkommissar Virginijus Sinkevičius haben 111.746 Menschen für einen Ausbaustopp des deutsch-polnischen Grenzflusses unterzeichnet.
  • EU-Beschwerde: EuroNatur, EKO-UNIA und der BUND haben am 17. November 2022 die Beschwerde bei der Europäischen Kommission stellvertretend für das deutsche Aktionsbündnis Lebendige Oder und das polnische Bündnis Koalicja Ratujmy Rzeki (Koalition Rettet die Flüsse), das im Oktober 2023 mit dem EuroNatur-Preis ausgezeichnet wurde, eingereicht. Weitere Unterstützer sind Fundacja EkoRozwoju, Fundacja WWF Poland, Greenmind Foundation, Ogólnopolskie Towarzystwo Ochrony Ptaków, Stepnicka Organizacja Turystyczna, Deutscher Naturschutzring, Deutsche Umwelthilfe e.V., Heinz-Sielmann-Stiftung, NABU Germany, WWF Deutschland und Arnika.
  • Die Oder ist einer der letzten frei fließenden und naturnahen Flüsse in Europa. Als einziger großer, mitteleuropäischer Fluss ist sie von der Mündung aufwärts über 500 Kilometer von Querbauwerken (wie z.B. Staustufen) verschont geblieben. Umsäumt von Weichholzauenwäldern ist der Strom bislang wichtiger Lebensraum für bedrohte und geschützte Arten. Deutsch-polnische Pläne zur Stromregelungskonzeption und Vertiefung der Fahrrinne setzen die Oder und ihr Ökosystem jedoch verstärkt unter Druck.

Rückfragen:
Christian Stielow, EuroNatur, christian.stielow(at)euronatur.org, Tel.: +49 (0)7732 – 92 72 15
Radosław Gawlik, Stowarzyszenie Ekologiczne EKO-UNIA, rgawlik(at)eko.org.pl, Tel.: +48 605 037 417

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