Zwei neue Tierarten in geplantem Kraftwerksgebiet an der Vjosa entdeckt

++ Internationales Forscherteam findet in einer Woche 300 Tierarten, darunter eine neue Fisch- und Steinfliegenart ++ Geschiebetransport könnte Stromproduktion des geplanten Wasserkraftwerks Poçem nach 25 Jahren zum Erliegen bringen ++

Kleiner unbekannter Fisch im Wasser

Ein bislang Unbekannter für die Wissenschaft: Diese Fischart wurde im Bereich des geplanten Wasserkraftwerks Poçem entdeckt. Noch ist sie namenlos.

© Wolfram Graf
Die neuentdeckte Steinfliegenart Isoperla vjosae

Diese neuentdeckte Steinfliegenart trägt den Namen ihres atemberaubenden, aber bedrohten Lebensraums: Isoperla vjosae

© Wolfram Graf
Das breite Flkussbett der Vjosa mit Kiesbänken

Die Vjosa ist der letzte große Wildfluss Europas außerhalb Russlands. Allein an diesem Flussabschnitt fanden Wissenschaftler im April innerhalb von nur einer Woche 132 Tierarten.

© Gregor Subic

Wien, Radolfzell, Tirana 19.9.2017. Im April dieses Jahres hatten 25 Wissenschaftler aus 4 Ländern eine Woche lang die Vjosa im Bereich des geplanten Wasserkraftwerks Poçem erforscht. Heute präsentierten sie ihre ersten Ergebnisse in Tirana. In nur einer Woche wurden dabei 300 Tierarten entdeckt, darunter eine Steinfliegenart und eine Fischart, die der Wissenschaft bisher völlig unbekannt waren. Die Steinfliegenart hört zukünftig auf den wissenschaftlichen Namen Isoperla vjosae. Die Fischart ist noch namenlos. Um restlos sicher zu gehen, dass es sich um eine neue Art handelt, müssen noch einige Vergleichsuntersuchungen folgen. Für Albanien wurden weitere 40 Arten erstmals nachgewiesen (hier der vorläufige Bericht ausgewählter Arten). 

Das internationale Forschungsteam kommt zu folgenden Schlussfolgerungen:

• Die Vjosa ist für die Artenvielfalt von pan-europäischer Bedeutung. Hier leben viele Tier- und Pflanzenarten, die an anderen Flüssen Europas äußerst selten oder bereits verschwunden sind.
• Sollten die geplanten Wasserkraftwerke an der Vjosa (Poçem und Kalivaç) gebaut werden, dürften die meisten dieser Arten als Folge der völlig veränderten Bedingungen aussterben.
• Erste Abschätzungen des Geschiebetransports (Kiese und Sande) belegen, dass die Stromproduktion des geplanten Kraftwerks Poçem in etwa 25-30 Jahren weitgehend zum Erliegen kommt, weil sich der Stauraum bis dahin mit Sedimenten verfüllt haben dürfte.
• Ein umfassendes dreijähriges Forschungsprogramm sollte unbedingt durchgeführt werden, bevor Entscheidungen über die Genehmigung von Wasserkraftwerken erteilt werden. Neben der Flora und Fauna, betrifft das v.a. auch die Erhebung des Geschiebetransports sowie eine Einschätzung der Folgen für das Grundwasser.

Für Professor Fritz Schiemer von der Universität Wien können die bisherigen Untersuchungen nur der Auftakt für eine intensivere Forschung sein: „Was wir in einer Woche gefunden haben, ist unglaublich. Die Ergebnisse bestärken die Ansicht, dass wir unbedingt eine mehrjährige Erhebung der Biodiversität und des Geschiebehaushalts brauchen“, so Prof. Schiemer.

„Die Kooperation mit den Kollegen aus Österreich und Deutschland ist ein hervorragender Beginn für weitere Forschungen an der Vjosa. Wir wollen diese internationale Zusammenarbeit ausbauen, um diesen Fluss zu retten. Unsere Regierung sollte einen Nationalpark errichten, statt Kraftwerke zu bauen“, so Prof. Aleko Miho von der Universität Tirana.

Dr. Christoph Hauer von der Universität für Bodenkultur (BOKU) in Wien hat erstmals Profile durch das bis zu zwei Kilometer breite Flussbett vermessen. „Unsere Abschätzungen belegen, dass eine lose-lose Situation droht, sollte das Wasserkraftwerk Poçem gebaut werden. Neben dem Artensterben würde sich auch die Energiegewinnung drastisch reduzieren, weil der enorm hohe Geschiebetransport den geplanten Stauraum des Wasserkraftwerks Poçem innerhalb von  25-30 Jahren mit Sedimenten füllen würde. Weitere Messungen sind zwingend notwendig und international auch Stand der Technik “, so Dr. Christoph Hauer.

 

Hintergrundinformationen:
• Die Vjosa in Albanien ist der letzte große Wildfluss Europas außerhalb Russlands. Er ist weitgehend unerforscht. Die albanische Regierung plant den Bau von zwei großen Wasserkraftwerken (Poçem und Kalivaç), ausgerechnet in den ökologisch wertvollsten Bereichen des Flusses. Vom 23.-29.4.2017 erforschten Wissenschaftler aus Albanien, Österreich, Deutschland und Slowenien das Gebiet bei Poçem. Lesen Sie unsere Presseaussendung zur Vjosa- Wissenschaftswoche, den Spiegel Artikel über die Aktivität, und sehen Sie das Video von der Forschungsaktion, veröffentlicht im Patagonia-Blog “The Cleanest Line”.
• Lese Sie dem HIER den vorläufigen Bericht über die ersten Ergebnisse zu ausgewählten Arten. Dieser Bericht wurde kürzlich der Berner Konvention übermittelt. Eine umfassende Publikation über die Vjosa Wissenschaftswoche kann 2018 erwartet werden.
• Im Mai 2017 hob das Verwaltungsgericht in Tirana die Genehmigungen für das Wasserkraftprojekt Poçem auf und folgte so der Klage von NGOs und betroffenen Anrainern. Das albanische Umweltministerium hat Berufung eingelegt. Als Alternative zum Bau von Kraftwerken, fordern NGOs sowie die Anrainer der Vjosa die Gründung eines Wildfluss Nationalparks. Es wäre der erste seiner Art in Europa.
• Der Schutz der Vjosa ist ein Kernanliegen der Kampagne „Rettet das Blaue Herz Europas“, einer Kampagne zum Schutz der Flüsse auf dem Balkan, die von den Naturschutzorganisationen Riverwatch, EuroNatur sowie von lokalen Partnerorganisationen durchgeführt wird. In Albanien ist EcoAlbania Partner der Kampagne.

Rückfragen:
Prof. Fritz Schiemer - Universität Wien - friedrich.schiemer@univie.ac.at  0043/69910188845
Prof. Aleko Miho - Universität Tirana - mihoaleko@yahoo.com 0035/682707208
Cornelia Wieser - Riverwatch – cornelia.wieser@riverwatch.eu 0043/6504544784
Katharina Grund – EuroNatur – katharina.grund(at)euronatur.org  +49 7732 / 92 72 - 10
 

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