Ist Albaniens Natur noch zu retten?

Ja, aber es wird wohl noch schwieriger werden

Ein Kommentar von Annette Spangenberg zur ernüchternden Naturschutzlage im Adriastaat

Ein Protestbanner gegen den Skavica-Staudamm hängt in einem Dorf im Dibra-Tal.

„Kein Skavica!“ Im geplanten Stausee am Oberlauf des Schwarzen Drin drohen mindestens 35 Dörfer zu versinken.

© Richard Burton

Albaniens Premierminister Edi Rama – richtig, das ist der Mann, der vor gut einem Jahr seine Unterschrift unter den Vjosa Nationalpark setzte – arbeitet mit Hochdruck daran, diesen Naturschutzerfolg zunichtezumachen. Ein Flughafen an der Vjosa-Mündung? Kein Problem! Einen der wichtigsten Nebenflüsse der Vjosa an die albanische Riviera umleiten? Na, klar! Und jetzt der traurige Höhepunkt: Ende Februar 2024 beschloss das albanische Parlament eine Gesetzesänderung, die den eigentlichen Zweck sämtlicher Schutzgebiete des Landes ad absurdum führt. 

Ab sofort brauchen große Infrastrukturprojekte in Nationalparks oder Naturschutzgebieten keine Genehmigung der Schutzgebietsbehörde mehr. Stattdessen ist ein Gremium zuständig, dessen Vorsitz Premierminister Edi Rama innehat. Ob das ein Zufall ist? Sicher nicht! Wer genauer hinsieht, erkennt einen übergeordneten Plan hinter den Einzelbaustellen: Bereits im März 2023 kündigte der Ex-Basketballprofi an, Albanien bis zum Ende des Jahrzehnts zum „Tourismus-Champion“ machen zu wollen. Dass er dabei keinen naturverträglichen Tourismus im Sinn hat, liegt nahe. Unter anderem werden aktuell Pläne für ein Luxusressort im Nationalpark Divjaka-Karavasta aus der Schublade gezogen, gegen die unsere albanischen Partner schon vor Jahren protestiert hatten. Das Nationale Raumplanungskomitee ist unter Edi Ramas Leitung ab sofort befugt, Megaprojekte wie Luxushotels, Staudämme oder Flughäfen in Schutzgebieten durchzuwinken. Das neue Gesetz untergräbt den Grundgedanken, Natur nach gesetzlich definierten Standards zu erhalten und setzt sämtliche Hebel außer Kraft, gerichtlich gegen ihre Zerstörung vorzugehen. 

Wilde Wälder, Flüsse, Gebirgs- und Küstenlandschaften sind damit mehr denn je zum Freiwild für Großinvestoren geworden. Und die stehen bereits Schlange. Unter ihnen Donald Trumps Schwiegersohn Jared Kushner. Gegenüber der New York Times bestätigte er, in Albanien große Immobilienprojekte verwirklichen zu wollen. Unter anderem droht die Verbauung der letzten naturnahen Küstenabschnitte. Im albanischen Fernsehen äußerte US-Diplomat Richard Grenell, der, laut Medienberichten, ebenfalls beteiligt ist: „Niemand sollte sich dafür entschuldigen müssen, wenn er Geld machen will.“ Schade nur, dass diese Geldmacherei auf Kosten des Gemeinwohls und der Natur geht. 

Protest der Lokalbevölkerung in Kuç gegen die Umleitung der Shushica.

Protest von Bürgermeistern und Anwohnerinnen des Shushica-Tals gegen die Ableitung des Flusses an die albanische Riviera.

© Kristi Lllozhi

Viele Regierungsvertretende auf EU-Ebene sehen in Edi Rama noch immer den charismatischen Saubermann, der sich für die Demokratie einsetzt. Meilenweit gefehlt, geht die Entwicklung doch immer stärker dahin, Entscheidungen bei ihm zu bündeln! Angesichts der aktuellen Entwicklungen muss auch die Frage nach Albaniens Weg in die Europäische Union nachdrücklich gestellt werden. Deshalb haben wir uns mit unseren Partnern von PPNEA und BirdLife International in einem Brief an die EU-Kommissare Virginijus Sinkevičius und Olivér Vàrhelyi gewandt, kurz nachdem das neue Schutzgebietsgesetz verabschiedet wurde. Ist Albaniens Natur noch zu retten? Wir sagen: Ja, aufgeben kommt nicht in Frage! Aber es wird wohl noch schwieriger werden. 

Protokoll: Katharina Grund

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