In den Balkanflüssen leben 113 seltene und geschützte Fischarten. Kommt der Wasserkraftausbau wie geplant, würde das etwa 10 Prozent aller europäischen Flussfischarten gefährden
Radolfzell, Wien. Europas Fischparadies sind die Flüsse auf dem Balkan. Das belegt eine neue Studie, die heute von Riverwatch und EuroNatur vorgestellt wurde. Demnach leben in den Flüssen zwischen Slowenien und Griechenland 113 bedrohte und geschützte Fischarten und damit mehr als in jedem anderen Gebiet Europas. Die Autoren der Studie um Dr. Steven Weiss von der Universität Graz haben zudem die Folgen für die Fischfauna erhoben, falls die geplanten Wasserkraftwerke auf dem Balkan gebaut werden. Das Ergebnis: Elf Fischarten würden global aussterben und weitere 38 Arten an den Rand des Aussterbens gebracht werden. „Der Wasserkraftausbau gefährdet dadurch etwa 10 Prozent aller Flussfischarten Europas. Wasserkraft stellt damit eine der größten Gefahren für die Fischfauna unseres Kontinents dar“, so Dr. Steven Weiss.
Unter den bedrohten Arten finden sich wahre Riesen wie der bis zu 1,5 Meter lange Huchen (Hucho hucho) und Zwerge wie die 10 Zentimeter kleine Dalmatische Elritze (Phoxinellus dalmaticus). Einige Arten leben nur auf wenigen Kilometern Fließgewässern und sonst nirgendwo, etwa die Prespa Forelle (Salmo peristericus) oder der Vardar Streber (Zingel balcanicus), eine Barschart, die als ausgestorben galt und die im Rahmen dieser Erhebungen in einem mazedonischen Flussabschnitt wiederentdeckt wurde. (alle Fischarten finden Sie in der Online-Fischdatenbank)
Drei Flüsse sind auf dem Balkan von besonders großer Bedeutung: die Neretva und die Drina in Bosnien-Herzegowina sowie die Morača in Montenegro. Hier leben zusammengenommen mehr als 50 gefährdete und geschützte Arten, womit diese Flüsse zu den bedeutendsten und an Fischarten reichsten Flüssen in ganz Europa zählen. Doch ausgerechnet in diesen drei Flüssen sollen große Staudämme entstehen, noch dazu mit Hilfe der Europäischen Union. Die EU Kommission hatte kürzlich eine Liste von „prioritären Wasserkraftprojekten“ auf dem Balkan vorgestellt, die sie möglicherweise finanziell unterstützen will. Darin finden sich allein zehn Projekte an diesen drei Flüssen. Am 17. Mai plant die EU Kommission in Sofia die endgültige Liste der „prioritären Wasserkraftvorhaben“ zu präsentieren.
„Wenn sich die EU an ihre eigenen Gesetze hält, muss sie diese Staudammprojekte stoppen, anstatt sie zu forcieren. Diese Flüsse sollten Nationalparks werden und nicht in Stauseen untergehen“, so Ulrich Eichelmann von Riverwatch.
„Diese Studie zeigt einmal mehr den immensen Wert der Balkanflüsse und die erschreckenden Auswirkungen der Wasserkraft gerade auf die Biodiversität. Der geplante Ausbau der Wasserkraft auf dem Balkan bedroht einen europäischen Hotspot der biologischen Vielfalt.“, betont auch Gabriel Schwaderer, Geschäftsführer der Stiftung EuroNatur.
Die Fischstudie wurde im Rahmen der Kampagne „Rettet das blaue Herz Europas“ erstellt, die von den Naturschutzorganisationen Riverwatch und EuroNatur koordiniert wird. Erstmals liegt damit eine umfassende Erhebung der bedrohten und geschützten Fischarten sowie der Folgen des Wasserkraftbooms für den gesamten Balkan vor.
Hintergrundinformation:
• Hier finden Sie die Studie und die Online-Fisch-Datenbank
• Im Guardian wurde bereits ein Artikel über die Studie veröffentlicht: Balkan dam projects could result in loss of one in 10 European fish species
Rückfragen:
Dr. Steven Weiss, Autor der Studie, Karl-Franzens-Universität Graz
steven.weiss(at)uni-graz.at, + 43 660 4383336
Cornelia Wieser, Kampagnenkoordinatorin, Riverwatch
cornelia.wieser(at)riverwatch.eu, +43 650 4544784
Anja Arning, Öffentlichkeitsarbeit, EuroNatur
anja.arning(at)euronatur.org; +49 7732 927213