++ Naturschutzorganisationen erheben bei der Berner Konvention Beschwerde gegen Bosnien-Herzegowina wegen Bewilligung von Dammbauten an der oberen Neretva ++
Die Naturschutzorganisationen Center for Environment, Aarhus Center Sarajevo, Riverwatch, EuroNatur, ClientEarth und CEE Bankwatch Network haben heute eine Beschwerde gegen Bosnien-Herzegowina bei der Berner Konvention eingereicht. Gegenstand ist der unterlassene Schutz der unberührten oberen Flussbereiche der Neretva vor acht geplanten Wasserkraftwerken.
Der Oberlauf der Neretva ist eines der ursprünglichsten Flussökosysteme auf der Balkan-Halbinsel. Es handelt sich um ein Wildnisgebiet mit bisher sehr geringen menschlichen Eingriffen. Daher ist es seit 2011 für das „Emerald-Netzwerk“ von Schutzgebieten nach der Berner Konvention nominiert, wird aber von einem 35-MW-Wasserkraftwerk bei Ulog sowie einer Kette von sieben kleineren Kraftwerken am Oberlauf der Neretva bedroht. Die Kraftwerke würden den etwa 30 km langen Oberlauf großteils in eine Kette von Dämmen, Rohrleitungen und Staubecken verwandeln.
Die Eingabe an die Berner Konvention folgt einer korrespondierenden Beschwerde der Umweltgruppen an das Sekretariat der Energiegemeinschaft vor einigen Monaten. Darin wird auf gravierende Mängel im Umweltprüfungsverfahren dieser Projekte hingewiesen. Die Umweltverträglichkeitsprüfungen stellten etwa nur wenige jener Arten fest, die vermutlich im Projektgebiet vorkommen, gaben aber grünes Licht für die Kraftwerksprojekte. Obwohl das Gebiet kaum erforscht ist, sind Vorkommen seltener Arten bekannt, darunter Braunbär, Wolf, Fischotter, bedrohte Krebse sowie eine besondere Forellenunterart.
"Der Oberlauf der Neretva ist ein naturbelassenes Juwel auf dem Balkan. Mit den umliegenden unberührten Wäldern bildet der Fluss ein Wildnisgebiet, das in Europa seinesgleichen sucht. Die Staudammprojekte würden nicht nur dieses Ökosystem zerstören, sondern Bosnien-Herzegowina würde auch gegen ratifizierte internationale Abkommen verstoßen. Deshalb reichen wir diese Beschwerden ein", sagt Ulrich Eichelmann, Koordinator der Kampagne Rettet das Blaue Herz Europas bei Riverwatch.
„Die bisherigen Untersuchungen haben bestätigt, dass das Quellgebiet und der Oberlauf der Neretva ein außergewöhnlich gut erhaltenes Ökosystem darstellen. Die Wasserkraftprojekte müssen gestoppt werden, da sie das sensible Ökosystem massiv beschädigen", fügt Jelena Ivanic vom Center for Environment hinzu.
Hintergrundinformationen:
- Das 35-MW-Wasserkraftwerk Ulog der EFT-Gruppe mit einem 53 Meter hohen Damm und einem 2,7 km langen Ableitungstunnel ist das am weitesten stromabwärts geplante Kraftwerk. Derzeit sind vorbereitende Arbeiten mit der chinesischen Sinhydro als Generalunternehmer im Gange. Der erste Baubeginn für dieses Kraftwerk war bereits 2013, doch im Juli desselben Jahres führten zwei tödliche Unfälle zum Abbruch der Arbeiten. Am 4. Juli starb ein Arbeiter des Unternehmens Prijedorputevi bei der Errichtung einer Zufahrtsstraße durch Steinschlag. Nur vier Tage später verlor ein Arbeiter desselben Unternehmens sein Leben in einem Bergsturz und ein weiterer Arbeiter musste ins Krankenhaus eingeliefert werden. Danach wurde die Arbeiten stillgelegt, um weitere Untersuchungen durchzuführen. Im Jahr 2017 wurde das Projekt umgeplant und etwas weiter flussabwärts verlegt.
- Die sieben Wasserkraftwerke an der oberen Neretva werden von Marvel d.o.o. flussaufwärts der Stadt Ulog geplant und sollen eine Kapazität von insgesamt 15,1 MW haben. Im Kontrast zu dieser geringen Kraftwerksleistung stehen die Eingriffe. Einer der Dämme – Uloški Buk – soll gar zwischen 41 und 56 Meter hoch werden (die Umweltverträglichkeitserklärung ist hier unklar).
- Die Kampagne Rettet das Blaue Herz Europas will die wertvollsten Flüsse des Balkans vor einem Damm-Tsunami von etwa 3.000 Kraftwerksprojekten retten. Die Kampagne wird von den NGOs Riverwatch und EuroNatur koordiniert und zusammen mit Partnerorganisationen aus den Ländern der Balkanregion durchgeführt. Die Partner in Bosnien-Herzegowina sind Center for Environment und Aarhus Center Sarajevo. Weitere Informationen unter https://balkanrivers.net/de