Studie belegt: Kleine Kraftwerke, großer Schaden

Neue Studie: Kleine Wasserkraftwerke finanziert mit europäischen Mitteln schädigen naturbelassene Landschaften auf dem Balkan

Kleinwasserkraftwerk im Shar-Gebirge

Kleinwasserkraftwerk im Shar-Gebirge: Die Region ist als Emerald-Schutzgebiet nominiert.

© Andrey Ralev

Prag, Radolfzell, Skopje, Zagreb. Acht Wasserkraftprojekte in Albanien, Kroatien und Mazedonien, finanziert mit öffentlichen europäischen Geldern, haben die Biodiversität dort massiv geschädigt. Verstärkte Maßnahmen zur Kontrolle und Restaurierung sind dringend notwendig. Zu diesem Ergebnis kommt eine heute veröffentlichte Studie von CEE Bankwatch Network (1).

Der Bau der Wasserkraftwerke wurde mit Unterstützung der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD) und der Europäischen Investitionsbank (EIB) im Zeitraum von 2013-2015 finanziert. Die Kraftwerke haben Auswirkungen auf endemische und gefährdete Arten und in einigen Fällen beeinträchtigen sie sogar die Wasserversorgung der lokalen Gemeinden, so das Ergebnis der neuen Studie. In den meisten Fällen wurden offensichtlich nationale Gesetze gebrochen und Standards von internationalen Einrichtungen übergangen. Beispielsweise wurden Fischpassagen blockiert, so dass ungenügend oder gar kein Wasser flussabwärts fließen kann; außerdem verursachen Zufahrtsstraßen erhebliche Erosion. Die nationalen Behörden scheinen lediglich in einem der Fälle von dem Betreiber des Wasserkraftwerks eine Geldbuße gefordert zu haben.

„Unsere Untersuchungen zeigen, dass die sogenannten kleinen Wasserkraftwerke große Auswirkungen haben. Es ist höchste Zeit, dass die Finanziers aufhören, in jegliche Art von industriellen Aktivitäten in diesen ökologisch sehr sensiblen Gebieten zu investieren“, so Igor Vejnovic, Verantwortlicher für den Bereich Wasserkraft bei Bankwatch und Autor der Studie.

„Sowohl die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung als auch die Europäische Investitionsbank werden ihre Kreditvergabepolitik im Jahr 2018 überarbeiten. Wir erwarten, dass sie spezielle No-Go-Gebiete für die Finanzierung von Wasserkraftprojekten einführen, die mit den Vorgaben der Internationalen Naturschutzunion IUCN übereinstimmen“, fügt Ana Colovic-Lesoska von der mazedonischen Organisation Eko-svest, einem der Hauptakteure in der Feldforschung, hinzu.

Die Studie zeigt, dass Projekte in ökologisch sensiblen Gebieten wie Nationalparken bedeutende Auswirkungen auf die Tierwelt haben. Nichtsdestotrotz haben öffentlich-rechtliche europäische Banken entschieden, sich weiterhin auf Umweltverträglichkeitsprüfungen von dubioser Qualität zu verlassen, die potentielle Auswirkungen heruntergespielt hatten. Schließlich haben diese Projekte unter anderem dazu geführt, dass der Lebensraum der endemischen Prespa-Forelle in Mazedonien zerstört und der Gletschersee 'Black Lake' in Albanien mit Sediment gefüllt wurde. All das hätte verhindert werden können, wenn die Finanzierung von Projekten in Schutzgebieten ausgeschlossen gewesen wäre. Die Situation wurde zudem noch verschlimmert durch die Unfähigkeit oder den Unwillen der Regierungen, die Gesetzgebung richtig zu überwachen.

In drei der Fälle - Lipkovo (auch bekannt als Kamena reka), Tearce 97-99 (auch bekannt als Bistrica 97-99) und Ilovac – blieben die Finanzierungsquellen bis vor kurzem geheim. Sie waren nicht direkt von öffentlich-rechtlichen europäischen Banken finanziert worden, sondern mit Hilfe von Krediten, vergeben über lokale Banken, die die Auskunft verweigern, welche Projekte sie finanzieren.

„Allein im Mavrovo-Nationalpark in Mazedonien sind weitere 15 Kraftwerke geplant. Wenn man sich die Auswirkungen des dort bereits vorhandenen Wasserkraftwerks Tresonecka vor Augen führt, müssen Pläne für zusätzliche Kraftwerke unbedingt aufgegeben werden“, sagt Theresa Schiller von der EuroNatur Stiftung.

„Die Mittel der EBRD und EIB sind immer noch öffentliche Gelder, auch wenn diese durch kommerzielle Banken geschleust wurden. Doch die Namen der Projekte werden von den Banken nicht offen gelegt und der Öffentlichkeit wird die Chance verwehrt, die Entscheidungsfindung zu beeinflussen. Drei Fälle, die von der Studie erfasst wurden, zeigen, welche Auswirkungen bereits kleine Projekte haben können und dass eine genauere Prüfung nötig ist“, so Pippa Gallop, Forschungskoordinatorin bei Bankwatch.

 

Hintergrundinformationen
(1) Die Forschungsstudie erfasste folgende Wasserkraftwerke:
● Rapuni 1-2, Albanien. Besitzer: C & S Construction Energy shpk (Albanien), finanziert von der EBRD
● Ternove, Albanien. Besitzer: Teodori 2003 shpk (Albanien/Kanada), finanziert von der EBRD
● Ilovac, Kroatien. Besitzer:  Tekonet d.o.o (Kroatien), finanziert von der EIB
● Brajcinska reka 1 (auch: Brajcino 1), Mazedonien. Besitzer: Mali hidroelektrani DOO (Mazedonien), finanziert von der EBRD
● Brajcinska reka 2 (auch: Brajcino 2), Mazedonien. Besitzer: PCC HYDRO DOOEL (Deutschland), finanziert von der EBRD/KfW
● Tresonecka reka (auch Tresonce), Mazedonien. Besitzer:  Hidro Enerdzi Group (Mazedonien), finanziert von der EBRD
● Lipkovo (auch: Kamena reka), Mazedonien. Besitzer: SOL Hidropauer DOOEL (Italien), finanziert von der EIB
● Tearce 97-99 (auch: Bistrica 97-99), Mazedonien. Besitzer: SOL Hidropauer DOOEL (Italien), finanziert von der EIB

Die Studie finden Sie hier.
Sie wurde im Rahmen der Kampagne „Rettet das Blaue Herz Europas“ erstellt.

Kampagne “Rettet das Blaue Herz Europas”:
Aktuell sind zwischen Slowenien und Albanien ungefähr 2800 neue Dämme in Planung. Um gegen diese Zerstörungsflut zu reagieren, haben EuroNatur und Riverwatch in Zusammenarbeit mit lokalen Partnern in den entsprechenden Balkanländern die Kampagne „Rettet das Blaue Herz Europas“ ins Leben gerufen. Erfahren Sie mehr über die Kampagne unter: www.balkanrivers.net

Pressekontakt:
Anja Arning, EuroNatur, anja.arning(at)euronatur.org, +49 7732 9272 13
Igor Vejnovic, Bankwatch, igor.vejnovic@bankwatch.org, +420 773 140 691
Ana Colovic Lesoska, Eko-svest, ana@bankwatch.org, +389 72 726 104
 

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