Ein Bündnis aus sieben Umweltverbänden hat Klage beim Oberverwaltungsgericht Berlin Brandenburg gegen den Bewirtschaftungsplan Oder und das dazugehörige Maßnahmenprogramm eingereicht. Klageführender Verband ist der BUND Brandenburg, der sich durch die Kanzlei Baumann Rechtsanwälte juristisch vertreten lässt. Das Bündnis will die Zielerreichung und damit einen effektiven Gewässerschutz im Oderraum bis 2027 durchsetzen.
Das Fischsterben im letzten Jahr hat gezeigt, wie verletzlich und belastet die Flussgebietseinheit Oder ist. Gerade um solche Katastrophen zu vermeiden, wurde im Jahr 2000 von der Europäischen Union die Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) in Kraft gesetzt. Die WRRL sieht die Umsetzung von Maßnahmen vor, mit denen der gute Zustand der Gewässer bis 2015, spätestens aber bis 2027 erreicht sein soll. Dazu müssen die Bundesländer entsprechende Bewirtschaftungspläne und Maßnahmenprogramme aufstellen und regelmäßig aktualisieren.
„Das Maßnahmenprogramm Oder des Lands Brandenburg ist völlig unzureichend und es ist absehbar, dass so der gute ökologische und chemische Zustand bis 2027 nicht erreicht werden kann“, so Thomas Volpers, stellvertretender Landesvorsitzender des BUND Brandenburg. „Der vorliegende Bewirtschaftungsplan spiegelt den Stellenwert des Gewässerschutzes in der aktuellen Landesregierung wider. Mehr war offenbar für den Schutz der Oder und ihres Gewässersystems nicht drin. Allerdings ist das Ergebnis unsrer Auffassung nach rechtswidrig.“ Der Zielerreichungszeitpunkt ist spätestens 2027 und kann nicht einfach nach Belieben verschoben werden. Alle vorgesehenen Maßnahmen müssen innerhalb von 3 Jahren in die Praxis umgesetzt oder zumindest begonnen sein.
„Mit der Klage wollen wir verdeutlichen, dass alle Akteure an der Oder ihre Hausaufgaben machen müssen, auch die Landesregierung Brandenburg“, so Sabrina Schulz, stellvertretende Bereichsleiterin Naturschutz der DUH. „Wenn das Umweltministerium seinen rechtlichen Verpflichtungen nicht nachkommen kann, weil Personal und finanzielle Mittel fehlen, stimmt etwas an der Prioritätensetzung nicht. In der Klimakrise muss der Schutz unserer Gewässer auf der Agenda ganz oben stehen.“
„Man kann keinen ersthaften Gewässerschutz betreiben, wenn Maßnahmen erst 2039 oder 2045 in Angriff genommen werden sollen“, so Dr. Hannes Petrischak von der Heinz-Sielmann-Stiftung. „Wir brauchen die Zielerreichung nicht nur, weil sie in einer EU-Richtlinie klar festgelegt ist, sondern auch weil der Schutz der Oder eine entscheidende Herausforderung für die Sicherung unserer Lebensgrundlagen, vor allem vor dem Hintergrund des Klimawandels ist.“
„Es ist widersinnig, dass die fatalen Ausbaupläne für die Bundeswasserstraße in einer Planung keine Rolle spielen, die den guten ökologischen Zustand desselben Flusses zum Ziel hat,“ so Tobias Schäfer, Referent für Gewässerschutz beim WWF Deutschland.
„Die Oder ist ein schwer belastetes Ökosystem. Sie ist aber auch eine wichtige Lebensader der gesamten Region. Sie wird bedroht durch die Einleitung von Schadstoffen und den auf polnischer Seite forcierten Ausbau,“ so Holger Seyfarth von der Bürgerinitiative „SaveOderDie“. „Auch wenn auf polnischer Seite die Einsicht noch nicht gereift zu sein scheint, dass der Schutz der Oder lebenswichtig ist, sollten wir doch auf deutscher Seite alles Mögliche tun für den Schutz der Oder, die Bewahrung des Nationalparks mit seinen einzigartigen Auenlandschaften und den Erhalt der über Generationen gewachsenen Kulturlandschaft und des Wirtschaftsraumes.“
Hintergrundinformationen
Warum klagen Umweltverbände gegen ein Umweltprogramm?
Fristverlängerung über zulässigen Rahmen nach 2027 hinaus: Der gute Zustand der Gewässer und Grundwasser sollte eigentlich 2015 erreicht werden. Die Zielerreichungsfrist kann grundsätzlich höchstens zweimalig um sechs Jahre verlängert werden. Der letztmalige Zielerreichungszeitpunkt ist damit spätestens 2027 und kann nicht einfach nach Belieben verschoben werden. Alle vorgesehenen Maßnahmen müssen innerhalb von 3 Jahren in die „Praxis“ umgesetzt oder zumindest begonnen sein. Es reicht aus Sicht der Kläger nicht einfach die Zielverfehlung festzustellen und damit „transparent“ zu machen, sondern die Vorgaben der WRRL sind einzuhalten, anderweitig handelt es sich um einen klaren EU-Rechtsverstoß. Gegenwärtig verfehlen alle Oberflächengewässer den geforderten guten Zustand (bestehend aus dem guten ökologischen Zustand/Potential sowie dem guten chemischer Zustand). Nach der Zielerreichungsprognose des Bewirtschaftungsplans soll sich an diesem Befund auch bis 2045 nichts ändern. Das bedeutet, dass der Plangeber selbst von einer gravierenden Zielverfehlung ausgeht. Es bedarf daher der schnellstmöglich der Umsetzung der Maßnahmen zur Verbesserung, um die Zielverfehlung möglichst gering zu halten.
Die überwiegend für die Umsetzung der WRRL zuständigen Bundesländer – so auch Brandenburg – müssen hierfür die Ursachen für mangelnde oder schleppende Maßnahmenumsetzung beheben (etwa lange Verfahrensdauer, unzureichende Finanzierung oder angeblich mangelnde Flächenverfügbarkeit). Diese Problemlagen sind eindeutig im Zuständigkeitsbereich des Bundeslands lösbar, beispielsweise durch die flächendeckende Umsetzung von ausreichend bemessenen Gewässerrandstreifen in Brandenburg. Ebenso sind angeführte Hindernisse wie Personaldefizite oder fehlende Ressourcen durch die landespolitisch Verantwortlichen auszugleichen.
Der Bewirtschaftungsplan und das Maßnahmenprogramm Oder sind auch im Vergleich zu anderen Bewirtschaftungsplänen und Maßnahmenprogramme anderer Flussgebietseinheiten besonders intransparent und lückenhaft, so sind etwa die unzureichende Ermittlung IST-Zustand, die fehlenden Angaben zu Gründen für Fristverlängerungen und die vagen oder fehlenden Angaben zum Zeitraum der Maßnahmenumsetzung zu kritisieren. Der überwiegende Teil der Maßnahmen soll erst nach 2027 umgesetzt werden, teilweise erst bis 2033, 2039 oder 2045!
Die WRRL zielt auch darauf ab, mit intakten Gewässern eine Klimaanpassung für Brandenburg zu erreichen. Dafür kommen diese Maßnahmen viel zu spät.
Fazit: Der Bewirtschaftungsplan und das Maßnahmenprogramm Oder stellen kein kohärentes Gesamtkonzept dar, um den anhaltend schlechten Zustand unserer Gewässer zu verbessern und den guten Zustand zu erreichen. Faktisch erfolgt durch die unbestimmte Verschiebung der Zielerreichung eine Abschwächung des nötigen Gewässerschutzes durch fehlenden oder verspäteten Vollzug der WRRL.
Aus diesem Grund haben wir uns zusammengeschlossen und werden für die mündlichen Verhandlung beantragen (Auszug aus der Klagebegründung):
…den Beklagten zu verurteilen, seinen Bewirtschaftungsplan für die brandenburgischen Anteile an der FGE Oder für den Bewirtschaftungszeitraum 2021-2027 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts so zu ändern, dass dieser alle im Einflussbereich des Beklagten stehenden Festlegungen enthält, um
- einen guten chemischen und ökologischen Zustand/Potentials in den Oberflächengewässern der FGE Oder schnellstmöglich zu erreichen und
- eine Verschlechterung des chemischen und ökologischen Zustands/Potentials der Oberflächengewässer der FGE Oder zu verhindern,
- einen guten mengenmäßigen und einen guten chemischen Zustand der Grundwasserkörper schnellstmöglich zu erhalten oder zu erreichen,
- eine Verschlechterung der mengenmäßigen und chemischen Zustände der Grundwasserkörper zu verhindern.
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