++ Geplantes Wasserentnahme-Projekt an der Shushica gefährdet Artenvielfalt am wichtigen Nebenfluss der Vjosa ++ Vjosa-Ökosystem trotz Nationalpark-Status in Gefahr ++
Tirana, Wien, Radolfzell. Am 27. Januar veröffentlichte die International Union for Conservation of Nature (IUCN) einen Sachstandsbericht über das umstrittene Projekt zur Wasserausleitung aus der Shushica, einem wichtigen Zufluss der Vjosa in Albaniens Vjosa-Wildflussnationalpark (VWRNP). Mit dem Projekt – kofinanziert von der deutschen KfW und gebaut von der österreichischen STRABAG – will die albanische Regierung Wasser an die Mittelmeerküste leiten, um den Massentourismus zu fördern. Der Bericht der IUCN wurde von führenden albanischen und internationalen Expertinnen und Experten erarbeitet und kommt zu dem Schluss, dass das geplante Projekt die Biodiversität des Nationalparks stark beeinträchtigen würde und nicht mit den Nationalparkkriterien der IUCN vereinbar ist. Folglich empfiehlt der Bericht, das Projekt gänzlich zu unterlassen und stattdessen auf alternative Wasserquellen zurückzugreifen.
Das sogenannte Vermeidungsszenario „wird in Hinblick auf die Schutzziele des VWRNP dringend empfohlen, da es der Aufgabe des Parks entspricht, seine biologische Vielfalt zu schützen, und schwerwiegende Beeinträchtigungen auf die Integrität des VWRNP zu vermeiden“, heißt es im Bericht (IUCN, 2025, S. 59).
EcoAlbania, Riverwatch und EuroNatur begrüßen die Ergebnisse des Berichts und appellieren eindringlich an die albanische Regierung, den Erkenntnissen des Berichts zu folgen und den Vjosa-Wildflussnationalpark zu schützen, indem sie dem Vermeidungsszenario Priorität einräumt. Dieses Szenario verbietet die Wasserentnahme aus der Shushica und empfiehlt alternative Wasserquellen außerhalb des Parks.Schauen Sie sich auch unser Video dazu an.
Zentrale Ergebnisse der Erhebungen
1. Verletzung der Nationalpark-Kriterien und gravierende ökologische Risiken: Der Bericht beleuchtet die potentiell verheerenden Auswirkungen des Projekts, darunter:
Verlust essentieller Lebensräume für gefährdete Arten (Fische, Amphibien, Wasserpflanzen)
Irreversible Schädigung des Sedimenttransports, der Wasserqualität und der Biodiversität.
Aus diesen Gründen ist das Projekt mit den IUCN-Richtlinien für Nationalparks der Kategorie II, zu denen sich die albanische Regierung verpflichtet hat, unvereinbar. „Es ist zu erwarten, dass das Projekt in seiner geplanten Form Auswirkungen auf die Ziele des VWRNP haben wird. Die geplante Wasserentnahme entspricht nicht den IUCN-Richtlinien für Nationalparks der Kategorie II, wodurch die Integrität und die Schutzziele des Parks sowie die Ökosystemleistungen beeinträchtigt werden könnten.“ (IUCN, 2025, Zusammenfassung)
2. Lepusha-Quellen sind unverzichtbar: Im Gegensatz zu den Behauptungen der Projektbefürworter – einschließlich des albanischen Umweltministeriums – sind die Lepusha-Quellen von entscheidender Bedeutung für die Shushica. Sie bilden die Hauptquelle des Flusses und sind für dessen Ökosystem unerlässlich. Der IUCN-Bericht beschreibt die Quellen als einen „essentiellen immanenten Teil der Shushica mit funktioneller Bedeutung für das gesamte Fluss-Ökosystem.“ (IUCN, 2025, S.22 ) Das geplante Projekt würde während der trockenen Monate die gesamte Schüttung der Quelle ableiten und kein Wasser für das Leben im Fluss übriglassen.
3. Es gibt praktikable Alternativen: Die Untersuchung zeigte mehrere alternative Wasserquellen, wie die Borshi-, Tatzati- und Fera-Quellen, mit denen der Wasserbedarf gedeckt werden kann, ohne den Vjosa-Wildflussnationalpark zu schädigen.
4. Klimawandel erhöht das Risiko: Da der Klimawandel die Wasserverfügbarkeit für die Flüsse Vjosa und Shushica bis 2050 voraussichtlich um 30 Prozent verringern wird, wären die ökologischen Auswirkungen der Wasserentnahme in Zukunft noch gravierender.
NGOs und lokale Gemeinschaften fordern sofortiges Handeln
Die Nichtregierungsorganisationen der Blue-Heart-Kampagne und die Bewohner des Shushica-Tals sind in ihrem Widerstand gegen das geplante Projekt vereint. „Dieser Bericht bestärkt uns in unserer Haltung, die wir seit Beginn dieses Kampfes vertreten: Das Projekt würde weite Teile des Wildflussnationalparks erheblich schädigen und ist angesichts der vorhandenen alternativen Wasserquellen völlig unnötig“, sagt Olsi Nika von EcoAlbania. „Das Vermeidungsszenario ist der einzige Weg, um eines der letzten Wildfluss-Ökosysteme Europas zu schützen und die Integrität des VWRNP zu bewahren.“
„Seit Generationen ist die Shushica die Lebensader unseres Tals – sie versorgt unsere Felder mit Wasser, sichert unseren Lebensunterhalt und ist ein Ort natürlicher Schönheit“, sagt Astrit Balilaj, Bürgermeister des Dorfes Kuç im Shushica-Tal. „Wir werden nicht zusehen, wie dieses Projekt unseren Fluss und unsere Lebensweise zerstört. Die Regierung muss auf die Wissenschaft hören und das Vermeidungsszenario wählen, um unsere Zukunft zu schützen.“
NGOs schließen sich der Forderung an, die Pläne aufzugeben, die den Nationalpark bedrohen. Sie fordern von den Projektentwicklern, darunter dem Albanischen Entwicklungsfond, die nachhaltigeren Alternativen aufzugreifen, welche die Integrität und langfristige ökologische Gesundheit des Parks gewährleisten.
Hintergrundinformationen:
Download des vollständigen Berichts und der Zusammenfassung. Die Finanzierung des Berichts erfolgte unabhängig durch die IUCN und mithilfe von gezielten Zuschüssen durch Patagonia und die Gordon and Betty Moore Foundation. Der Bericht wurde von führenden internationalen und albanischen Expertinnen und Experten erstellt.
Evaluierung von Alternativszenarien: Neben dem Vermeidungsszenario wurden gemäß der standardisierten Bewertungshierarchie der IUCN zwei weitere Szenarien von geringerer Priorität geprüft:
- Minimierungs-/Minderungs-Szenario: Dieses Szenario würde eine deutlich geringere Wasserentnahme aus den Lepusha-Quellen, eine komplette Neugestaltung der Wasserentnahme und die parallele Nutzung alternativer Quellen bedeuten. Eine einjährige hydrologische und Biodiversitätsstudie ist erforderlich, um ein ökologisches Abflussregime zu bestimmen, und ebenso „eine Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) gemäß der geänderten UVP-Richtlinie“ (IUCN, 2025, S. 65), um die Umweltauswirkungen während der Bauphase zu minimieren. Dies bedeutet, dass der Bau nicht wie derzeit geplant durchgeführt werden kann.
- Kompensationsszenario: Bei diesem Szenario würde das Projekt wie geplant fortgesetzt und parallel müssten Ausgleichsmaßnahmen gesetzt werden, etwa die Ausweitung des VWRNP auf zusätzliche Gebiete wie das Vjosa-Delta. Der Bericht betont jedoch, dass Ausgleichsmaßnahmen die durch das Projekt verursachten ökologischen Schäden nicht gänzlich kompensieren können.
Die Shushica ist ein wichtiger Nebenfluss der Vjosa und Teil des ersten Wildfluss-Nationalparks Europas. Mit dem Wasserentnahmeprojekt will die Regierung das Quellwasser der Shushica an die Mittelmeerküste leiten, um dort den Massentourismus zu fördern. Die 17 km lange Rohrleitung von Kuç nach Himara ist fast fertiggestellt, aber das Ableitungsbauwerk – die zentrale Infrastruktur des Wasserentnahmeprojekts – besteht noch nicht. Das Projekt wird von der deutschen Entwicklungsbank KfW und der EU (Western Balkans Investment Framework) finanziert und die Bauarbeiten werden von der österreichischen STRABAG durchgeführt. Diese Wasserentnahme ist nicht nur zerstörerisch, sondern auch unnötig. Es gibt genügend alternative Wasserquellen außerhalb der Grenzen des Nationalparks. Die lokalen Gemeinden sind entschlossen, den Bau des Ableitungsdamms zu verhindern.
Die Vjosa ist einer der letzten großen Wildflüsse Europas außerhalb Russlands. Sie fließt völlig unverbaut über fast 270 Kilometer vom Pindus-Gebirge zur Adria. Im März 2023, nach zehnjähriger Kampagne der Blue Heart-Partner, erklärte die albanische Regierung die Vjosa zu Europas erstem Wildfluss-Nationalpark.
Rückfragen:
Besjana Guri – EcoAlbania, b.guri(at)ecoalbania.org, +35/692954214
Ulrich Eichelmann – Riverwatch, ulrich.eichelmann(at)riverwatch.eu, +43/6766621512
Christian Stielow – EuroNatur, christian.stielow(at)euronatur.org, +49/7732 9272 15
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