Wälder – Eierlegende Wollmilchsäue?

Die Erwartungen an das, was Wälder leisten sollen, sind hoch. Sie sollen vielfältige Lebensräume bieten, wild-romantische Sehnsüchte erfüllen, Kohlenstoffspeicher sein und gleichzeitig – selbstverständlich kostengünstig und gewinnbringend - Brenn- und Bauholz liefern.

Urwald in Rumänien

In den rumänischen Karpaten gibt es noch nahezu unberührte Waldwildnis. Doch sie schwindet mit jedem Tag ein Stück mehr.

© Agent Green
gerodeter alter Baum

Unter den gefällten Bäumen befinden sich auch zahlreiche jahrhundertealte Buchen.

© Matthias Schickhofer
Holzfabrik in Rumänien

Viele Holzfabriken in Rumänien werden 24/7 mit neuem Holz aus den Ur- und Naturwäldern bedient.

© Matthias Schickhofer

Unsere Erwartungen an den Wald sind aber nicht nur hoch und vielfältig, sondern auch widersprüchlich. Und ebenso schwer unter einen Hut zu bringen wie das, was die EU Kommission im Rahmen verschiedener Verordnungen, Strategien sowie des European Green Deal für die Wälder vorsieht.

Im Zuge der Revision der Erneuerbaren Energien Direktive – ein Bestandteil des Green Deals – soll das Verbrennen von (Holz-)Biomasse als CO2 neutral klassifiziert werden. Damit wird den EU-Mitgliedstaaten die Möglichkeit eröffnet, das Verbrennen von Holzbiomasse für die Strom- und Wärmeproduktion als Klimaschutzmaßnahme zu subventionieren.

Holz verbrennen ist nicht klimaneutral

Dass das Verbrennen von Holzbiomasse nicht klimaneutral ist, ist inzwischen vielfach erwiesen. Holzverbrennung ist grundsätzlich nicht klimaneutral und trägt vor allem kurzfristig zum Treibhausgaseffekt bei. Da Holz im Vergleich mit fossilen Brennstoffen einen wesentlich geringeren Energiegehalt hat, muss – um die gleiche Menge Energie zu erhalten – wesentlich mehr Holz verbrannt werden. Deshalb wird im Vergleich mehr CO2 emittiert als beim Verbrennen von bspw. Kohle.

Dazu kommt, dass Wälder sehr effektive Kohlenstoffspeicher sind. Vor allem alte, funktionstüchtige Waldökosysteme stellen wichtige Kohlenstoffsenken dar – in lebenden Baumbeständen, aber auch in Totholz und Boden. Wälder binden auch noch ab einem Alter von 200 Jahren kontinuierlich CO2. Damit kommt vor allem den alten und natürlichen Wäldern Europas – den Ur- und Naturwäldern – eine große Bedeutung als Kohlenstoffspeicher zu. Gleichzeitig sind gerade diese Wälder artenreich und spielen eine große Rolle beim Erhalt der Biodiversität. So etwa die Ur- und Naturwälder in Rumänien.

Nicht umsonst hat die EU Kommission daher in ihrer Biodiversitätsstrategie für 2030 vorgesehen, alle verbleibenden Primär- und Urwälder der EU „zu bestimmen, zu erfassen, zu überwachen und streng zu schützen“. In Arbeitsgruppen wird derzeit diskutiert, welche Arten von Wäldern als Ur- und Naturwälder definiert werden und was genau „streng zu schützen“ bedeutet.

Es erscheint daher als besonders widersprüchlich, dass in Rumänien ausgerechnet jetzt bisher unberührte, über 150 Jahre alte Wälder zunehmend abgeholzt werden. Wälder, die zum Teil nicht nur auf nationaler Ebene als Schutzgebiete von Bedeutung sind, sondern die als Teil des Natura 2000 Netzwerks und als UNESCO Weltnaturerbe auch international einen hohen Stellenwert haben. (Hier der Link zu einem Report zur aktuellen Situation in Rumänien; engl)

Der Verdacht drängt sich auf, dass hier die Zeit bis spätestens 2030 genutzt werden soll, wertvolle, nach EU Recht streng zu schützende Wälder so weit zu degenerieren, dass eine weitere Abholzung zur subventionierten Gewinnung von Holzbiomasse unproblematisch möglich ist. Ein Schelm, wer Böses ahnt…?

Die Zerstückelung der Wälder stoppen

Noch müssen viele Fragen geklärt, Definitionen gefunden und vor allem Wege zur Umsetzung von Schutzmaßnahmen sowie deren Kontrollen festgelegt werden. Die EU gibt dabei meist nur den Rahmen vor, die Details werden auf nationaler Ebene ausgearbeitet. Es ist also davon auszugehen, dass noch viel geredet und zunächst wenig getan werden wird.

Doch es ist auch klar, dass die EU ihre Wälder nicht im Einklang mit den Zielen der EU Biodiversitätsstrategie 2030 schützen und gleichzeitig im Rahmen der Revision der Erneuerbaren Energien Verordnung ihre Nutzung für Brennstoffe aus Holzbiomasse ausweiten kann. Es ist absehbar, dass die zunehmende Nutzung von Holzbiomasse zur Energiegewinnung die vielfältigen Funktionen des Ökosystems Wald beeinträchtigen wird - und gleichzeitig den "European Green Deal" sowie die darin enthaltenen Verpflichtungen zum Erhalt der biologischen Vielfalt untergräbt. Bis alle Ur- und Naturwälder Europas kartiert sind, muss es daher einen Abholzungsstopp für alle – auch potentielle – Ur- und Naturwälder geben. Sonst ist absehbar, dass die geschätzten 3% verstreuten Anteile, die diese an der gesamten Waldfläche der EU haben, noch weiter abnehmen und zerstückelt werden.

Insbesondere Ur- und Naturwälder müssen geschützt werden, um wenigstens einen Teil der Erwartungen, die wir an Wälder stellen, erfüllen zu können. Aber genau so wenig wie ein Nutztier alle unsere Erwartungen erfüllen kann, ist ein Wald keine eierlegende Wollmilchsau, die jedes unserer Bedürfnisse zu jeder Zeit bedient.


Autorin: Annette Spangenberg ist Leiterin Naturschutz bei EuroNatur, lebt in einem Haus, das unter anderem mit Holz geheizt wird, liebt Lagerfeuer und weiß die Erholungsqualitäten von naturnahen Wäldern zu schätzen. Auch ihre Erwartungen an Wälder sind daher vielfältig und widersprüchlich.

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