Störche, wohin man schaut. Das Storchendorf Pentowo in Polen ist ein Eldorado für Fans von Meister Adebar. Dort fand im Mai 2023 das 20. Treffen der Europäischen Storchendörfer statt: für alle Beteiligten ein besonderes Erlebnis.
Wer den Weißstorch mag, wird diesen Ort im Nordosten Polens lieben: Auf einer Fläche mit der ungefähren Größe zweier Fußballfelder ziehen 23 Paare der großen Schreitvögel ihre Jungen groß. Nur in wenigen anderen Dörfern gibt es eine ähnlich hohe Dichte an Storchenpaaren auf so engem Raum. Ständig klappert es in den Horsten, wie Tiefflieger segeln die Störche flach über die Köpfe der Besucherinnen und Besucher hinweg. Die ohnehin geringe Fluchtdistanz von Meister Adebar scheint in Pentowo nahezu komplett aufgehoben.
Voller Begeisterung erklimmen Storchenfans den großen Beobachtungsturm, der mitten auf der Rasenfläche in Pentowo steht und befinden sich auf Augenhöhe mit den schwarz-weißen Vögeln. Wer ein Fernglas dabei hat, kann den Störchen tief in die Augen schauen, ein bewegendes Erlebnis. So unmittelbare Einblicke ins Familienleben der charismatischen Vögel gewinnt man nur an wenigen Orten sonst in Europa.
Polnische Premiere
Vom 22. bis 25. Mai 2023 fand das 20. Treffen des Netzwerks der Europäischen Storchendörfer statt. Zum ersten Mal war die Gemeinde Tykocin Gastgeber. Das rund 2.000 Einwohner zählende Dorf liegt im Nordosten Polens an den Ufern der Narew. Bis zum Zweiten Weltkrieg gehörte es zu den wichtigsten Zentren jüdischen Lebens in Polen; noch heute zeugen die große, wiederaufgebaute Synagoge und ein landesweit bekanntes Restaurant mit koscherer Kost von der einstigen Bedeutung. In den ausgedehnten Röhrichtbereichen an der Narew singen etliche Rohrsängerarten und Schwirle, die Rohrdommel lässt – nachts gut im Ort hörbar – ihren dumpfen Ruf ertönen und aus den Bruchwäldern flötet der Pirol.
Vögel in Schilf und Bruchwald
Doch der eigentliche Star der Vogelwelt in Tykocin ist der Weißstorch. Wobei man den Ort eigentlich drei Kilometer in westliche Richtung verlassen muss, um wirklich viele Störche sehen zu wollen. Dort nämlich liegt Pentowo, nicht viel mehr als ein Gehöft mit drei großen Ställen und zwei gemütlichen Holzhäusern. Pentowo ist Teil der Gemeinde Tykocin und hier beherbergt ein einzelner Hof die größte Weißstorchkolonie Polens.
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Anreise & Unterkunft
In dieser Saison (2023) brüten 23 Storchenpaare auf den aufgestellten Masten und in den Bäumen rund um das Gehöft - Beleg einer erstaunlichen Entwicklung in Pentowo. Ende der 1980er-Jahre zogen gerade einmal zwei Paare hier ihre Jungen groß. Dank der Initiative des Hofbesitzers Łukasz Toczyłowski und dessen Vater ist es in Zusammenarbeit mit dem lokalen Vogelschutzverband PTOP (Nordpodlasischer Vogelschutzbund) gelungen, durch den Bau von Nisthilfen die Zahl der Nester um das 15-fache zu erhöhen.
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Polen: Einstiges Wohlfühlland für Meister Adebar
Störche leiden unter Lebensraumverlust, kollidieren mit Stromleitungen und werden auf ihren Zugwegen abgeschossen. Aufgrund dieser vielfältigen Gefährdungsursachen in ihren Brut-, Rast- und Überwinterungsgebieten sind lokale Initiativen, wie sie durch das Netzwerk der Europäischen Storchendörfer gefördert werden, umso wichtiger zum Schutz der Vögel.
Wo Teichfrosch und Wachtelkönig sich gute Nacht sagen
Łukasz Toczyłowski betreibt in Pentowo einen Pferdehof mit mehreren Ställen. Menschen aus der Region können bei Łukasz ihre Pferde unterstellen, er bietet Reitunterricht und Kutschfahrten an. Und er führt Besucherinnen und Touristen über seinen Hof, wo ein Informationszentrum, zwei Besichtigungstürme sowie mehrere Infoschilder Umweltbildung zum Weißstorch ermöglichen.
Die Nahrungshabitate im Umfeld werden naturverträglich genutzt. In einem Altarm der Narew tummeln sich etliche Frösche, deren vereinzeltes Quaken sich nach Einbruch der Dunkelheit zu einem lautstarken Konzert steigert. Das Feuchtgrünland, nach früherer Trockenlegung teilweise wiedervernässt, wird mit den Pferden vom Hof extensiv beweidet beziehungsweise zeitlich versetzt gemäht. Das gefällt nicht nur Meister Adebar. Eine Kranichfamilie schreitet durchs hohe Gras, in der Abenddämmerung lässt der Wachtelkönig sein „Crex Crex“ erklingen.
Bürgermeister in Radlerhose
Dass sich das polnische Storchendorf zuletzt auch wieder stärker im Netzwerk engagiert und als Konsequenz hieraus Ende Mai dieses Jahres das erste Treffen in Tykocin organisiert hat, hat auch mit einer Aufwertung der Auszeichnung innerhalb der Gemeinde zu tun. Bürgermeister Mariusz Dudziński, seit drei Jahren im Amt, hat den Wert des Titels „Europäisches Storchendorf“ erkannt und organisierte mit seinem Team ein gelungenes Treffen voller Gastfreundschaft und mit viel Lokalkolorit. An jedem Tag der Konferenz zeigte Dudziński Präsenz bei den Veranstaltungen – und radelte die Strecke zwischen Tykocin und Pentowo nach Feierabend, um auch ja beim geselligen Teil des Treffens dabei sein zu können. Die Mücken an diesem Abend kannten vor allem ein Opfer…
Aus fünf weiteren Adebar-Kommunen waren Storchenschützer und Gemeindevertreterinnen nach Tykocin gereist. „Leider war die Beteiligung bei diesem Treffen eher mau“, sagt Ilka Beermann. Die Projektleiterin hat die Initiative bei EuroNatur betreut. „Bei einigen Gemeinden scheint das Interesse am gegenseitigen Austausch gering zu sein. Doch so lange es nach wie vor motivierte Menschen in den Storchendörfern gibt, werden wir das Netzwerk aufrechterhalten.“
Persönliche Zusammenkünfte wie die Ende Mai in Tykocin tragen auf jeden Fall zur Motivation derer bei, die anwesend waren, das war deutlich spürbar. „Wir konnten in einen intensiven Austausch gehen und hatten mehr Zeit als sonst, über die Entwicklungen in den einzelnen Gemeinden zu sprechen“, so Beermann. Vielleicht ist es genau dieser Austausch auf persönlicher länderübergreifender Ebene, der die Initiative der Europäischen Storchendörfer nach 29 Jahren und 20 Treffen nach wie vor am Leben hält: diese Mischung aus motivierten Vogelschützerinnen und engagierten Menschen aus der Gemeinde, das Wechselspiel aus Artenschutz und politischem Gestaltungswillen im Sinne der gefiederten Ehrenbürger. Und sie alle – Ehrenamtliche und Hauptberufliche, Naturschützerinnen und Kommunalpolitiker – vereint der charismatische Charaktervogel naturnahen Weidelands: der Weißstorch.
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Das Netzwerk Europäischer Storchendörfer
Der Autor dieses Artikels wohnt in einer storchenreichen Region Deutschlands. Doch so viele Weißstörche auf einem Fleck wie in Pentowo, hat er noch nie gesehen.